Haushaltsrede 2021 unseres Fraktionsvorsitzenden Peter Knitsch

26.02.21 –

 

Liebe Erkrather Bürgerinnen und Bürger,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus Rat und Verwaltung,

die Verabschiedung des Haushaltes ist in allen Parlamenten und Kommunalvertretungen die Zeit, in der nicht nur über einzelne Haushaltsstellen, sondern auch über die grundsätzliche Ausrichtung der Politik diskutiert und entschieden wird. Dies gilt umso mehr in Zeiten der Krise – und damit meinen wir GRÜNEN nicht nur die Pandemie, die 2020 das Leben der Menschen wesentlich bestimmt hat und auch in diesem Jahr bestimmen wird. Von genauso entscheidender Bedeutung – und mittel- und langfristig sogar noch viel gewichtiger – sind die Folgen und Veränderungen durch den anhaltenden Raubbau an unserer Natur, die viel schneller als gedacht voranschreitende Erderwärmung mit all ihren verheerenden globalen Folgen, Hass und Hetze gegen Minderheiten oder die zunehmende wirtschaftliche und soziale Spaltung der Gesellschaft – weltweit, aber auch hier in unserem kleinen Erkrath!

Wir GRÜNEN bewerten die Politik in unserer Stadt vor allem daran, ob sie den uns möglichen Beitrag dazu leistet, diese Krisen und Fehlentwicklungen zu vermeiden oder doch zumindest abzuschwächen. Dies gilt auch und gerade für den Haushaltsplan. Trägt er dazu bei, Umwelt und Klima zu schützen oder führt er unter dem Strich zum Gegenteil? Fördert er Maßnahmen für ein friedliches Miteinander, gerade auch mit und für Minderheiten? Hilft er, soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ausgrenzung zu vermeiden?

 

Fangen wir mit dem Positiven an: Das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Schutzes unseres Klimas ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dies ist weniger eine Folge der Einsicht in die Notwendigkeit durch die politischen Mehrheiten in Bund, Land und hier in Erkrath, sondern Resultat der immer drängenderen Forderungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, von Bewegungen wie Fridays for Future und nicht zuletzt der immer besseren Wahlergebnissen unserer Partei. Hitzesommer, lange Trockenperioden und immer häufigere Extremwetterereignisse führen den Menschen nun auch in unseren Breitengraden vor Augen, dass die Klimaveränderungen und ihre Folgen keine GRÜNE Erfindung, sondern bittere Realität sind.

Immerhin konnten wir im Haushalt durchsetzen, dass das Personal in diesem Bereich aufgestockt und mehr Mittel für Baumpflanzungen eingesetzt werden, wenn auch nicht in dem Umfang, wie notwendig und von uns beantragt. Nach Jahren des Stillstandes gibt es erste Anzeichen dafür, dass das Radwegekonzept aus dem Jahr 2015 nun zumindest langsam umgesetzt wird. Die inzwischen doppelt so hohen wie ursprünglich von der Verwaltung veranschlagten Erschließungsmittel für die Zerstörung der Neanderhöhe – ca. 2 statt 1 Millionen Euro – wurden zwar nicht, wie von unserer Fraktion beantragt, gestrichen, immerhin aber mit knapper Mehrheit vorläufig gesperrt.

Auch im Jugend- und Schulbereich konnten wir kleinere Verbesserungen des Ansatzes für Werk- und Beschäftigungsmaterialien für die Kinder- und Jugendeinrichtungen und für Veranstaltungen am Wochenende im Jugendcafé am Skaterpark in Hochdahl sowie zur Anschaffung digitaler Lizenzen für den Schulunterricht erreichen. Die von uns durchgesetzten Mittel für Gewaltpräventionsprojekte in den Schulen werden verstetigt. Auch unsere Initiativen für einen Ansprechpartner für die Schülerinnen und Schüler bei Problemen mit den digitalen Endgeräten und für eine bessere Ausstattung mit Schutzmasken für die städtischen Schulbediensteten hatte Erfolg.

Die Umsetzung des Spielplatzbedarfsplans ist leider ins Stocken geraten. Hier gilt es im Interesse der Kinder, endlich mehr Tempo aufzunehmen.

Auch der Mangel an Kindergartenplätzen im Stadtteil Sandheide muss endlich behoben werden. Solange nicht ausreichend Plätze in Wohnortnähe zur Verfügung stehen, muss den betroffenen Familien durch einen Fahrdienst eine erreichbare Einrichtungsalternative angeboten werden.

Im Bereich des Stadtmarketings, bei der uns der Erhalt und die Förderung des örtlichen Einzelhandels, des Handwerks und der Gaststätten seit Jahren ein besonderes Anliegen sind, hat nun auch die CDU offenbar durch Corona die Zeichen der Zeit verstanden: Nachdem Sie unsere Anträge zur Etablierung eines/einer Citymanagers/in über Jahre hinweg abgelehnt hat, fordert sie nun selbst eine solche Stelle.

 

Diesen wenigen Lichtblicken steht leider viel Schatten gegenüber: Das in Erkrath noch immer mehr über Klimaschutz geredet als gehandelt wird, zeigt leider auch dieser Haushalt überdeutlich: Selbst städtische Neubauten wie die Grundschule Sandheide und die Wohnungen am Maiblümchen werden nicht nach den besten, sogar vom Bund finanziell besonders geförderten energetischen Standards errichtet. Die ablehnende Haltung von Verwaltung und Ratsmehrheit zu dem von uns geforderten Passivhausstandard ("KfW 40 plus") führt dazu, dass über die nächsten fünfzig Jahre völlig unnötig Energie verschwendet und das Klima geschädigt wird.

Die Ratsmehrheit hat zwar im vergangenen Jahr kurz vor den Wahlen zähneknirschend dem Bürgerantrag zur Ausrufung des "Klimanotstandes" zugestimmt, will aber heute nicht einmal regelmäßig darüber informiert werden, ob und in welcher Höhe tatsächlich eine Minderung der CO2-Emissionen in Erkrath erreicht wird.

Regelmäßiges Klimaschutzmonitoring und Erfolgskontrolle als operatives Ziel im Haushalt? Nein, danke! So genau will man dann doch lieber nicht wissen, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden und ob wir unsere selbst gesetzten Klimaschutzziele auch wirklich erreichen!

Stärkung des ÖPNV durch die kostenfreie Nutzung der Ortsbusse oder ein Förderprogramm zum Austausch klimaschädlicher Ölheizungen wie es andere Städte vormachen? Nicht mit CDU, SPD, BmU, FDP und AfD in Erkrath!

Stattdessen werden mehrerer Millionen Euro in die immer weitere Versiegelung von Grünflächen wie in Erkrath-Nord oder der Neanderhöhe investiert.

Nein – das ist kein Klimaschutz, das ist das Gegenteil davon und zeigt, dass jedenfalls die Dimension des Problems weder bei der Verwaltungsspitze noch bei der Mehrheit der Ratsfraktionen angekommen ist.

Auch im Sozialbereich fehlt vieles: Der von uns gemeinsam mit der SPD geforderte, dringend notwendige Ausbau der Schulsozialarbeit ist da nur ein Beispiel.

Diese Liste der Fehlentwicklungen und verpassten Chancen ließe sich zwanglos erweitern. Unter dem Strich müssen wir feststellen: Noch immer werden die Prioritäten in Erkrath ganz überwiegend nicht da gesetzt, wo es zumindest aus unserer GRÜNEN Sicht notwendig wäre. Den wenigen, von uns durchaus gesehenen positiven Entwicklungen stehen noch zu viele Defizite und zum Teil sogar Rückschritte gegenüber.

 

Ein weiteres Kapitel ist die generelle Haushaltssituation der Stadt. Jahr für Jahr wiederholen Kämmerer und Bürgermeister das Mantra der angeblich so furchtbaren Finanzsituation der Stadt. Auch die Medikation wird gleich mitgeliefert: Einnahmeverbesserungen durch neue Gewerbegebiete auf der grünen Wiese, die damit verbundene Zerstörung des Erkrather Grüngürtels müsse halt in Kauf genommen werden.

Richtig ist, dass die finanzielle Ausstattung der Kommunen insgesamt aufgrund der Unterfinanzierung durch Bund und Land nach wie vor unbefriedigend ist. Erkrath gehört allerdings zu den Städten, denen es aufgrund der vergleichsweise hohen Gewerbe- und Einkommensteuereinnahmen immer noch relativ gut geht.

Falsch ist die verordnete Therapie: Statt den Haushalt auf Kosten der Umwelt und der Lebenschancen zukünftiger Generationen aufzupolieren, müssen wir die Ausgaben stärker in den Griff bekommen. Und da geht es vor allem darum, die sich häufenden und inzwischen bei so gut wie jedem größeren Projekt in Erkrath zu beobachtenden massiven Kostenexplosionen zu vermeiden. Die auffälligsten Beispiele sind den meisten von Ihnen bekannt:

– Neubau Feuerwache "Am Cleverfeld" von ursprünglich 13 Millionen Euro zum Zeitpunkt der Beschlussfassung 2013 auf heute nach den aktuellen Angaben der Verwaltung rund 34 Millionen Euro – wir befürchten, dass auch diese Summe lange nicht reichen wird!

– Neubau Grundschule Sandheide allein von 2020 auf 2021 von rund 25 Millionen Euro auf nun ca. 33 Millionen Euro – 8 Millionen Euro Kostenerhöhung in einem Jahr!

– Entschlammung Stadtweiher von ca. 1 Millionen Euro auf 2 Millionen Euro!

 

Vom Planungsdesaster beim groß angekündigten Klimaschutzprojekt Bürgerhaus will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen, dies wird uns ja in den nächsten Wochen noch eingehend beschäftigen.

Wir müssen feststellen: Allzu oft werden Grundsatzentscheidungen des Stadtrats für Infrastrukturprojekte auf einer offenbar unzureichenden und zum Teil sogar unseriösen Kostenberechnung getroffen. Später stellt sich heraus, dass die tatsächlichen Kosten viele Millionen Euro über den zunächst genannten liegen. Solche Fehlentscheidungen belasten den Haushalt dann über Jahrzehnte hinweg.

Es stellt sich zudem die Frage, ob wir nicht in zu kurzer Zeit zu viele Großprojekte angehen – dass, was unter Bürgermeister Werner und der damaligen CDU-FDP-Mehrheit bis 2014 sträflich vernachlässigt wurde, nämlich der kontinuierliche Erhalt der Infrastruktur, soll nun mit Investitionen von ca. 150 Millionen Euro in nur fünf Jahren aufgeholt werden. Wir sollten uns bei aller Notwendigkeit vieler – nicht aller – dieser Projekte die Frage stellen, ob diese Geschwindigkeit nicht zu Lasten der Sorgfalt bei Planung, Kostenkontrolle und Baubegleitung durch die Verwaltung geht.

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen,

politische Entscheidungen verlangen in der Regel Kompromisse, das ist uns bewusst. Diese dürfen aber nicht faul sein und es muss grundsätzlich in die richtige Richtung gehen: Priorität für Umwelt- und Klimaschutz, für Maßnahmen gegen die weitere soziale Spaltung unserer Gesellschaft, gegen Hass und Hetze.

Der vorliegende Haushaltsplanentwurf enthält davon aus unserer Sicht zu wenig. Wir können ihm in dieser Form daher nicht zustimmen.

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